Aufrufe
vor 3 Jahren

#echtwohlig - das magazin. Vierte Ausgabe

  • Text
  • Thermenland
  • Bayerisches
  • Niederbayern
  • Fluss
  • Niederbayerischen
  • Landschaft
  • Menschen
  • Bayerischen
  • Donau
  • Bayern
  • Thermenlandmagazin
  • Tourismus.de
Das Letzte in Coronazeiten, das uns eingefallen wäre, war das Aufgeben. Im Gegenteil: Je länger Lockdown, umso wichtiger erscheint es uns, über all die wunderbaren Menschen Niederbayerns zu schreiben, über die Schönheit der Landschaft, über Traditionen und Innovationen dieser Region, über die Heilkraft der Thermalwässer und so vieles mehr. Wir freuen uns auf Sie im Bayerischen Golf- und Thermenland! Auf bald – und bleiben Sie gesund!

#echtwohlig & besonders verwurzelt Wieder daheim Von der Dorfmitte führt die Straße hinauf zu einer nüchternen romanischen Kirchenfassade. Errichtet von Benediktinern, die das Kloster 1107 gründeten. 1869 kauften das Kloster die Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie – in Niederbayern besser als „Mallersdorfer Schwestern“ bekannt. Die schlichte Romanik der Kirche wurde nachträglich im Inneren von barocker Üppigkeit überwölbt. Der im 18. Jahrhundert hinzugekommene Rokoko-Altar gilt als ein Hauptwerk des Bildhauers Ignaz Günther, der hier der Offenbarung des Johannes Gestalt verlieh. Sehenswert. Schwester Melanie, mit der wir verabredet sind, wird später sagen, „es ist gut, dass die Ordensgemeinschaft die Klosterkirche damals vom Freistaat nicht zurückbekommen hat, denn man sieht, wie viele Renovierungsarbeiten und Kosten da ständig anfallen.“ Treffen an der Pforte: Rechts der Kirche in einem markant gestalteten Hof. Daneben der Eingang zur Realschule – ein Hinweis auf die Ambitionen des Ordens. 1851 übernahm der Priester Dr. Paul Josef Nardini die Pfarrei Pirmasens in der Pfalz. Es herrschten dort wirtschaftliche Not und Verarmung. Als er 1854 an Weihnachten vor der Krippe um Kraft und Einsicht betete, wurde ihm klar, dass er unabhängige, tatkräftige Frauen brauchte. 1855 übertrug er die Armenund Krankenpflege an zwei Schwestern des Franziskanischen Dritten Ordens und gründete damit die Ordensgemeinschaft. Geprägt ist das Leben der „Mallersdorfer Schwestern“ von ihrem Glauben, von franziskanischer Einfachheit und familiärem Miteinander. „Hier ist keine allein“, erklärt uns Schwester Melanie, „Unser Ordensleben ist Leben in Gemeinschaft. Das Miteinander erfordert gegenseitigen Respekt, Geduld und ein Sich-Zurücknehmen, was heute schwieriger erscheint als in früheren Zeiten.“ Die Mallersdorfer Schwestern packen recht diesseitig an. Im Leben. Mit Menschen. Jede auf ihrem Platz. Den Schwerpunkt bildet, neben umfassender Selbstversorgung, der sozialpädagogische Bereich. Bildung, vor allem für Mädchen und junge Frauen. Viele Schwestern waren oder sind im Unterricht tätig. Die Gründung von Fachakademie und Realschule waren logische Schritte. Durchschreitet man das Tor links der Kirche, öffnet sich ein weitläufiger Hof. Derzeit leben gut 100 Schwestern hier im Mutterhaus, in das die Schwestern nach ihrem Berufsleben zurückkehren. „Wieder daheim“ sozusagen. Verlässt man den Hof durchs nächste Tor, fällt der Blick hinüber zum Schwesternaltenheim St. Maria, früher auch „Sanatorium“ genannt. Das kleine Krankenhaus darin verfügte zeitweise über eine Geburtsstation. Zahlreiche Bürger der Gemeinde erblickten hier das Licht der Welt. Was immer diese Schwestern machen – sie machen es ordentlich: 1920 gründeten sie hier eine Krankenpflegeschule – die erste in Bayern. Die Konvente des Ordens sind quer durch Deutschland verstreut. 1891 holte Pfarrer Kneipp Schwestern nach Bad Wörishofen. Seit 1925 leiten sie dort das Kneippkurhaus St. Josef. Berufung und Beruf gehen die Franziskanerinnen an sieben weiteren Orten in Deutschland nach, darüber hinaus in Rumänien und Südafrika. Das Augenmerk in Rumänien gilt Kindern, Impressionen rund um das Kloster 8 I BAYERISCHES GOLF- UND THERMENLAND

Wiesen, Weiden und Gärten umgeben die Klostergebäude. jungen Frauen und alten Menschen, die dort oft von großer Armut betroffen sind. In Südafrika gilt die Hauptsorge seit 1955 bedürftigen Menschen. Jetzt sind das häufig Menschen, die HIV/Aids aus der Bahn wirft: Kranke, Sterbende und vor allem Kinder, die ihre komplette Familie verloren haben. Die Schwestern betreiben dort zahlreiche Projekte. Man kann sich nur ansatzweise vorstellen, wieviel Mut und Tatkraft hier oft von Nöten sind. Doch es gibt prominente Unterstützer: 2005 lieferte Elton John höchstpersönlich den Schwestern in NKlanda einen nagelneuen Geländewagen für ihre Arbeit in den Zulu-Siedlungen. Heute gehören den Nardini Sisters – wie die Schwestern dort genannt werden – hauptsächlich Südafrikanerinnen an. Eine wunderbare Entwicklung. Da wurde etwas in Gang gesetzt, das sich zukünftig selbst weiterträgt. „Hierzulande ist das eine andere Sache“, erzählt uns Schwester Melanie, „Nachwuchs kaum in Sicht. Um heute sozial tätig zu sein, muss man nicht mehr in einen Orden eintreten. Schön wäre es, wenn mehrere Frauen gleichzeitig sich für unsere Lebensweise und unsere Aufgaben begeistern könnten.“ Viel steht an: die alten Schwestern liebevoll versorgen, Gebäude erhalten, neue Nutzungen im franziskanischen Sinne finden. Ein Haus in Mallersdorf wird jetzt von traumatisierten Flüchtlingsfrauen und ihren Kindern bewohnt, die in der Asylunterkunft nicht gut aufgehoben waren. Das Kloster bietet für Frauen und Familien Auszeiten, Wochenenden, Kurzexerzitien im Schweigen oder Meditationstage – dabei kann man nebenbei auch das Kloster(leben) kennenlernen. Bekannt ist das von Schwester Doris gebraute Bier, das schon zahlreiche Auszeichnungen gewonnen hat. Der berühmte Gerstensaft kann in der Wirtschaft mit Biergarten gleich beim Kloster verkostet werden. Und auch die Webseite des Klosters ist einen Besuch wert. www.mallersdorfer-schwestern.de BAYERISCHES GOLF- UND THERMENLAND I 9